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Parlament des Geistes? Der Kulturbund in der Nachkriegszeit | Vortrag von Prof. Dr. Siegfried Prokop

24. November 2017-19:00 - 21:00

Kostenlos

Der Kulturbund hatte im Verlaufe seines Werdeganges eine geradezu klas­sische Periode. Es ist dies die Zeitspanne unmittelbar nach seiner Grün­dung im Jahre 1945. Vor allem sein Präsidialrat, in dem sich Geistesgrößen verschiedener politischer Couleur versammelten, bot ein Prisma pluralis­tischer Positionen, deren einigendes Band der ursprüngliche Antifaschis­mus noch vor dem vollen Ausbruch des Kalten Krieges war. Der frühe Kulturbund war das beidseitig gewollte und in der deutschen Geschichte bisher einmalig dastehende Dialogforum von sozialistischen, christli­chen, bürgerlichen und atheistischen Intellektuellen. Dieses Dialogforum hatte nur in der Etappe des „hilflosen Antifaschismus“, d. h. solange dieser noch nicht durch seinen Pedanten, den Antikommunismus, neutralisiert werden konnte, eine Chance. Verengung des Dialogfeldes war im Wes­ten wie im Osten die unvermeidbare Folge des aufbrechenden Konfliktes zwischen West und Ost, der bald Kalter Krieg genannt wurde. Es kam zur Polarisierung. Der Kulturbund setzte sich zur Wehr in den Westsektoren Berlins, mit Ausnahme des französischen, gegen das De-facto Verbot im Herbst 1947, in den Westzonen gegen nicht wenige Schikanen und in der sowjetischen Zone dagegen, dass er für das sowjetische Politikmodell, das seit Mitte 1948 angesagt war, bestimmten SED-Politikern und Vertretern der SMAD untauglich schien. Der Kulturbund vermochte nur zu überle­ben, wenn er das von ihm bis dahin hochgehaltene Prinzip der Überpar­teilichkeit opferte.
Am 14. September 1948 befasste sich die Landesleitung Berlin in einer Sondersitzung mit der Personalie Friedensburg. Über Friedensburg, der im Berliner Kulturbund keine Funktion innehatte, wurde folgender Beschluss gefasst: „Dr. Friedensburg [hat] den Grundsätzen des Kulturbundes provokatorisch entgegengewirkt. Die Landesleitung des Kulturbundes beschließe deshalb, Herrn Friedensburg aus dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands auszuschließen.“ Auf der Präsidialratsberatung am 12. November 1948 wies Klaus Gysi darauf hin, dass eine Reihe von Präsidialratsmitgliedern den Vorwurf erhebt, dass Friedensburg nicht gehört worden sei. Robert Havemann legte Wert auf die Feststellung, die Erledigung des Falles Friedensburg halte er für nicht richtig. Er bedaure die Art und Weise.
Der Hinauswurf von Dr. Friedensburg markierte eine Zäsur: den Bruch mit dem Prinzip der Überparteilichkeit. Namhafte Persönlichkeiten wie Reneé Sintenis, Eugen Fischer-Baling und Rudolf Pechel verließen aus Protest den Kulturbund.

Siegfried Prokop mit Gisela May beim Wolfgang Harich-Gedenkkolloquium 2003
(Privatbesitz S. Prokop)

Siegfried Prokop
Geb.1940 in Böhmen. 1946-1958 Schule und Oberschule im Dorf Chemnitz und in Neubrandenburg. 1958 -63 Studium der Geschichte und Germanistik in Berlin und Leningrad (St. Petersburg). 1983 bis 1996 Professor für Zeitgeschichte am Institut für Geschichte der Humboldt Universität zu Berlin. 1987 Gastprofessur in Paris, 1988 in Moskau und 1991 in Montreal. 1998 Projektleiter an der Forschungsstelle für historische und sozialwissenschaftliche Studien Berlin-Marzahn. 1994-1996 Vorsitzender der Alternativen Enquetekommission „Deutsche Zeitgeschichte“. 2006 -2012 Vorstandsvorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg.
Publizist und Historiker in Bernau bei Berlin. Verheiratet mit einer Ärztin. Zwei Töchter.
Bibliographie (Auswahl):
Studenten im Aufbruch, Berlin / Dortmund 1974; Übergang zum Sozialismus in der DDR, Berlin 1986; Deutsche Zeitgeschichte – neu befragt, Berlin 1990; Unternehmen „Chinese Wall“, Frankfurt/M. 1992 u. 1993; Ich bin zu früh geboren. Auf den Spuren Wolfgang Harichs, Berlin 1997; Der 17. Juni 1953. Geschichtsmythen und historischer Prozess, Berlin 2003; 1956 – DDR am Scheideweg, Berlin 2006; Die Berliner Mauer, Berlin 2009; Intellektuelle in den Wirren der Nachkriegszeit, Berlin 2010 (Teil 1) u. 2011 (Teil 2).
als Hrsg.: Die kurze Zeit der Utopie, Berlin 1994; Ein Streiter für Deutschland. Auseinandersetzung mit Wolfgang Harich, Berlin 1996; Der versäumte Paradigmenwechsel, Schkeuditz 2008; Ulbrichts Favorit. Auskünfte von Alfred Neumann, Berlin 2009; zusammen mit Dieter Zänker: Einheit im Geistigen? Protokolle des Präsidialrates des Kulturbundes 1945-1948, Berlin 2015.

Anmeldung erbeten
per E-mail veranstaltungen@steglitz-museum.de
oder telefonisch: 030/ 8 33 21 09

Details

Datum:
24. November 2017
Zeit:
19:00 - 21:00
Eintritt:
Kostenlos

Veranstalter

Heimatverein Steglitz e.V.
Telefon
+49308332109
E-Mail
veranstaltungen@steglitz-museum.de

Veranstaltungsort

Steglitz Museum
Drakestraße 64a
Berlin, 12205
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