Ein Rektor aus Lichterfelde
Johannes Stroux und der Wiederaufbau des Berliner Wissenschaftsbetriebs nach 1945
vom 7. Februar 2017 bis 1. Juli 2018
Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus galt es für die Alliierten, unbelastete Persönlichkeiten in Deutschland zu finden, die beim politischen, wirtschaftlichen und technischen Wiederaufbau mitzuhelfen bereit und geeignet waren. Hinsichtlich des ebenso wichtigen geistigen Wiederaufbaus galt dem in der NS-Zeit stark kompromittierten Bildungsbereich besonderes Augenmerk.
Ein Großteil der Professorenschaft an den Universitäten wurde für die Wiederaufnahme des Lehrbetriebs dringend benötigt. Die Berliner Universität Unter den Linden befand sich nach der Aufteilung der Stadt in Sektoren im sowjetisch besetzten Ostteil. Die Sowjets (und die mit ihnen zurückkehrenden Exilkommunisten) konnten nicht darauf verzichten, auch ‚bürgerliche‘, nichtkommunistische Wissenschaftler zur Mitarbeit zu gewinnen.
Zu diesen gehörte der in Lichterfelde wohnende Altphilologe Johannes Stroux (1886-1954), der mit dem Rektorat der am 29. Januar 1946 wiedereröffneten Universität (später Humboldt-Universität) und der Präsidentschaft der Deutschen (ehemals Preußischen) Akademie der Wissenschaften zwei wissenschaftliche Spitzenämter in seiner Hand vereinigte.
Eröffnung der Universität Unter den Linden am 29. Januar 1946 im Admiralspalast (mit Arthur Werner, dem ersten Oberbürgermeister von Berlin nach 1945, 2.v.l., und Johannes Stroux im Amtsornat des Rektors), Foto: P. Cürlis, Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R99113 / CC-BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)
Die Ausstellung möchte den Lebensspuren dieses heute wenig bekannten Gelehrten nachgehen, der schon in der Weimarer Republik in München einen der bedeutendsten Lehrstühle seines Faches innehatte und als Wissenschaftsorganisator hervortrat. Mit seinem Wechsel nach Berlin 1936, seiner Zuwahl in die Preußische Akademie der Wissenschaften und seiner Mitgliedschaft im erlesenen Kreis der berühmten Mittwochsgesellschaft nahm er einen der ersten Ränge im damaligen wissenschaftlichen Berlin ein. Der Mittwochsgesellschaft, von deren Mitgliedern mehrere in Lichterfelde und Steglitz wohnten, gehörten bedeutende Vertreter des deutschen Widerstands gegen Hitler an.
Die Ausstellung weitet den Blick auf das geistige Berlin vor dem Hintergrund der schwierigen Alltagsbedingungen in der zerstörten Stadt. Deren Südwesten spielte als Wohnort vieler Professoren, als Wissenschaftsstandort (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft / Kaiser-Wilhelm-Institute) und nicht zuletzt als Ort der 1948 in Reaktion auf den an der Linden-Universität zunehmenden politischen Gesinnungsdruck gegründeten Freien Universität (FU) eine herausragende Rolle. Diese Entwicklung möchte die Ausstellung über den Wiederaufbau des Berliner Wissenschaftsbetriebs nach 1945 im Spannungsfeld der beginnenden politischen Teilung Deutschlands anhand der Biographie von Stroux, aber auch der anderer Persönlichkeiten aus Steglitz und Zehlendorf nachzeichnen.
Ein Begleitprogramm mit Vorträgen und Führungen vertieft und/oder erweitert die Themen der Ausstellung.
Die Ausstellung wurde gefördert aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Kulturamt.