Erinnerung an Siegfried Borris (1906-1987)
Komponist, Musikwissenschaftler, Musikpädagoge und Musikpolitiker
vom 7. Februar 2017 bis 1. Juli 2018
Oft genug sind bedeutende Wegbereiter für eine neue und bessere Zeit nach dem II. Weltkrieg inzwischen der Vergessenheit anheimgefallen.
Siegfried Borris, Komponist, Musikpädagoge, Musikwissenschaftler und Musikpolitiker, der wesentlich den Neubeginn des Musiklebens in Deutschland mitgestaltet hat, gehört zweifellos zu ihnen.
Als Hochbegabter in der Schule, im Studium und als Komponist – Hindemith hat ihn ohne besondere Vorbereitung als Schüler angenommen – war Borris bereits mit 22 Jahren Dozent, dann Professor an der Berliner Musikhochschule.
Als Sohn eines jüdischen Vaters musste er die Hochschule 1933 verlassen.
Mehrfache Denunziationen zwangen ihn in den Untergrund. Durch eine Reihe glücklicher Fügungen hatte er überlebt und konnte nach 1945 wieder an der Musikhochschule arbeiten. Allerdings – ein trauriger Treppenwitz der neueren Geschichte – nahm man ihm wegen seiner musikalischen Kontakte auch nach Ostberlin und Ostdeutschland den Professorentitel, den er erst 1970 wieder erhielt.
Siegfried Borris (Privatbesitz Familie Borris)
Borris‘ Mitwirkung und sein Anteil beim Wiederaufbau und der Neuorganisation des Musiklebens nach 1945 in Berlin und der Bundesrepublik ist nicht hoch genug einzuschätzen.
In dem 1946 in Darmstadt gegründeten Institut für Neue Musik und Musikerziehung gehörte er zum Vorstand und war zehn Jahre lang 1. Vorsitzender. Bis 1972 war er Präsident des 1963 gegründeten Verbands Deutscher Musikerzieher und Konzertierender Künstler VDMK und führte die Künstlerverbände der deutschsprachigen Nachbarländer zu gemeinsamen Konferenzen zusammen.
An den Initiativen zu den Wettbewerben »Jugend musiziert« und dem »Deutschen Musikwettbewerb« hatte er maßgeblichen Anteil.
Dem Deutschen Musikrat gehörte Borris seit 1964 an, wurde 1969 dessen Vizepräsident und ab 1971 sein Präsident für 6 Jahre. Danach übernahm er trotz Krankheit die Ehrenpräsidentschaft und entfaltete – auch über den Internationalen Musikrat und damit über die Grenzen Deutschlands hinaus – erhebliche musikpolitische und bildungspolitische Aktivität und Wirkung.
Bei der großen Fülle von Aufgaben hatte er sich dennoch immer wieder Freiräume für sein kompositorisches Schaffen, das er als seine eigentliche Bestimmung ansah, erhalten können.
Auch für das Schreiben von etlichen Büchern zur Musik, einer großen Anzahl von Kongressreferaten, Aufsätzen zu Komponisten, zu Ästhetikfragen und Neuer Musik, Jazz und Popularmusik, zu Pädagogik, Musikleben, zur Oper und anderem fand er die Zeit. Für den Schulfunk hat er rund 500 Sendungen zu allen musikalischen Fragen verfasst.
Sein kompositorisches Werk umfasst die meisten musikalischen Gattungen. Musikalischer Extremismus der Nachkriegszeit war ihm fremd; die Nachfolge des musikalischen Expressionismus sah er im »Vitalismus«. In der Auseinandersetzung mit den Vertretern der Schönberg-Schule blieb er in der Nähe der Tonalität.
Berlin-Lichterfelde war dreiunddreißig Jahre lang seine Heimat.
Die Ausstellung wurde gefördert aus Mitteln der dezentralen Kulturarbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf, Kulturamt.