Steglitz
Die Linie von Spiel (1517-1714) waren die vierten Besitzer des Dorfes. Ob frühere Eigentümer, also die Linie der von Stegelitz (1232-1369), die von Torgow zu Zossen (1375-1478) sowie der Patrizierfamilie Schum (1472-1542) dort ein Gut besaßen oder lediglich die Abgaben bezogen, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Jedenfalls hat es unter den von Spiel schon vor 1517 einen Erbherrn auf Stegelitz gegeben, der einen freien Hof bewohnte (frei von Abgaben). Nach den von Spiel wechseln die Besitzer von Stegelitz viel öfter als zuvor.
Das Straßendorf am Bäkequell unterhalb des Fichtenberges wird erstmals 1375 im Landbuch Kaiser Karls IV. erwähnt. Ob der 1242 genannte Heinrich von Stegelitz dem altmärkischen Geschlecht gleichen Namens entstammt und mit dem Teltow in Verbindung zu bringen ist, bleibt ungewiss.
Kirchlich war Stegelitz nach der Reformation bis 1893 eine Filia von Giesensdorf. Die Dorfkirche, eine kleine Feldsteinkirche aus dem 14. Jh., wurde 1881 abgebrochen. Sie war für die anwachsende Großgemeinde zu klein und zudem baufällig geworden. Erhalten blieb der alte Kirchhof. Daran angrenzend wurde 1930 das Gemeindehaus erbaut. Die evangelische Matthäus-Kirche wurde bereits 1876/80 errichtet und Steglitz erlangte zugleich nach 341 Jahren die kirchliche Selbstständigkeit zurück.
Im hohen Durchgang zur Matthäus-Kirche befindet sich an der rechten Wand ein alter Grabstein mit der Inschrift: „Christoph Erdmann von Spiel, Erbherr auf Stegelitz, geb. 24.09.1668, gest. 27.09.1713, verheiratet mit Ana Dorothea, geb. von Thümen“.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) verschwand die alte Einwohnerschaft ganz; dem Landesreiterbericht von 1652 zufolge waren die drei Bauern und die drei Kossäten aus der Nachbarschaft zugezogen.
1784 erwarb der Johann Heinrich Casimir Freiherr von Carmer das Dorf. Unter seiner Leitung entstand 1794 das „Allgemeine Landrecht“, das erste preußische Gesetzbuch. Zwei Jahre später verkaufte er Stegelitz an den Geheimen Oberfinanzrat Alexander Friedrich Graf von Kameke. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jh. ließ Kameke hier auf dem Fichtenberg (am heutigen Paul-Henkels-Platz) eine künstliche Ruine im gotischen Stil errichten, die 1865 abgebrochen wurde.
Mit zunehmender Bedeutung von Potsdam als Residenz- und Garnisonsstadt gewann die Verbindungsstraße zwischen den Städten an Bedeutung und so ließ König Friedrich Wilhelm II. diese zur Chaussee ausbauen. Mit der Fertigstellung 1794 war Berlin–Potsdam nun an das preußische Poststraßennetz angeschlossen. Zur Refinanzierung der Baukosten war an den Chausseehäusern in Schöneberg, Stegelitz, Zehlendorf und an der Glienicker Brücke eine Nutzungsgebühr (Maut) zu entrichten.
Seitdem in Berlin das erste Postamt eingerichtet worden war, kam die Postkutsche täglich durch Stegelitz. Fritz Schulze, ein Stegelitzer Bauernsohn war einer der ersten Postillione, ein schmucker Kerl in seiner blauen Postillionuniform. Er fuhr ein Jahrzehnt und beförderte Reisende, Briefe und Pakete durchs Land.
1801 erwarb der Kabinettsrat und spätere Großkanzler Karl Friedrich von Beyme Stegelitz, der schon 1806 die Erbuntertänigkeit seiner Bauern gegen Zahlung eines Erbstandsgeldes aufhob. Sein Gutshaus bildete den südlichen Abschluss eines Gevierts von Gebäuden, auf das die von Schöneberg kommende Straße zuführte. 1804 legte man den Grundstein für ein neues Gutshaus. Es wurde nach Plänen von David Gilly und Heinrich Gentz errichte und 1808 fertig gestellt. Der Gutspark wurde neu gestaltet und der Fichteberg mit einbezogen. Stegelitz wurde zu Beymes bevorzugtem Wohnsitz. Als er 1838 verstarb, übernahm seine Tochter Charlotte Gerlach zunächst das Gut, verkaufte es aber dann 1841 an den preußischen Staat.
Im Jahr 1837 erregten sich die Gemüter der Stegelitzer Bauern: Eine Bahn aus Eisen sollte zwischen Berlin und Potsdam gebaut werden und dicht an Stegelitz vorbeiführen. Man hatte Angst vor einem Feuer spuckenden Dampfross, das nicht nur schneller als eine Kutsche fahren sollte, sondern auch das Vieh wohl wild machte. Die Eisenbahngesellschaft bot gutes Geld für den benötigten Landstreifen und letztlich verkauften die Bauern. 1838 wurde die Strecke der Berlin-Potsdamer Eisenbahn eröffnet. Bald kamen die Bauern zu der Einsicht, mit einem Haltepunkt könnten sie ihre Produkte, Obst, Gemüse und Kartoffeln viel schneller auf die Märkte von Berlin schaffen. So dachte auch Krüger Stephani, der einen Gasthof besaß. Er bot der Eisenbahngesellschaft kostenlos ein Stück Land zum Bau eines Haltepunkts an. Ein erster Haltepunkt wurde 1839 eröffnet. Der Bahnhofsvorsteher jener Zeit war zugleich Fahrkartenverkäufer, Schrankenwärter und Bahntelegraphist in einer Person. Die Fahrtzeit zum Potsdamer Bahnhof, damals noch vor den Toren Berlins, betrug 15 Minuten. Viele Berliner nutzten dies zu einem sonntäglichen Ausflug in das beschauliche und ländliche Stegelitz und so mancher wählte den Ort zum ständigen Wohnsitz.
Einer der ersten war der Kaufmann Johann Adolf Heese, der hier 1840 eine Seidenfabrik gründete, Maulbeerplantagen anlegte und Seidenraupen züchtete. Sein Wirken machte ihn und sein Unternehmen weit über die Grenzen Stegelitz hin bekannt. Eine sich ausbreitende Raupenseuche in den 60er Jahren brachte den Niedergang für das Unternehmen. Die Seidenhaspelei gab es noch bis 1889.
„Papa Heese“, wie ihn seine Beschäftigten nannten, stirbt 1862. Sein Grab und das seiner Ehefrau Caroline (1832-1929) befindet sich auf dem schon erwähnten Dorfkirchhof, Schloßstraße 43-44.
Nach 1850 nahm der Generalfeldmarschall Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel des Öfteren seinen Sommeraufenthalt im Stegelitzer Gutshaus. Er gab sich persönlich jedoch stets leutselig und volksverbunden und gewann so schnell die Gunst der Stegelitzer. Die Stegelitzer Kinder nannten ihn liebevoll „Papa Wrangel“ und das Beyme Gutshaus wurde zum „Wrangelschlößchen“, bis heute. Es beherbergte seit 1883 ein Restaurant bzw. ein Hotel. Seit 1958 ist es in Senatsbesitz. Heute finden dort Ausstellungen, Konzerte, Vorträge, Lesungen und anderes statt.
Berlin war im 19. Jahrhundert schon längst über die alten Stadtmauern hinausgewachsen. Immer mehr Menschen wollten der Enge der Großstadt entfliehen und suchten im ländlichen Stegelitz einen ruhigen Wohnsitz zu finden. Die Bauern verkauften für gutes Geld ihr Land. Die ersten Häuser aus gelben und roten Ziegeln wurden gebaut, zum Teil zweigeschossig, um eins davon zu vermieten. Es waren Beamte, Angestellte, Handwerker und Gewerbetreibende, die die Kolonie Stegelitz südöstlich der Berliner-Potsdamer-Bahn zwischen der Albrecht- und der Birkbuschstraße bis hin zur Belfortstraße (heutige Klingsorstraße) gründeten. Die ersten Häuser der Kolonie entstanden an der Albrecht- und an der Teichstraße (heutigen Schützenstraße). Das Dorf und die Kolonie konnten sich lange Zeit nicht einigen; zu einem Zusammenschluss kam es erst 1870, mit dem sich die Schreibweise von Stegelitz in Steglitz änderte. Der sonntägliche Kirchgang blieb ein Streit des Anstoßes, weil die Kolonisten den Bauern die angestammten Plätze in der zu klein gewordenen Dorfkirche streitig machten.
Der Verkauf der 89 Parzellen auf den Fichtenberg begann in den Jahren 1870/71. Bis 1875 waren erst neun Grundstücke bebaut und zehn Jahre später standen hier oben 24 repräsentative Landhäuser und Villen. Auf dem Fichtenberg wuchs ein Zentrum des Geistes, der Wissenschaft und des Kommerz heran. „DIE DORT DROBEN“ 1), abgehoben von den Menschen im Dorf und in der Kolonie.
Nach den beiden Weltkriegen ist die großzügige Bebauung mit den parkähnlichen Gartenanlagen durch eine dichtere Bebauung mit kleineren Villen, später auch mit Reihenhäusern und Eigentumswohnanlagen verdrängt worden und hat somit das Aussehen des Fichtenbergs stark verändert. Alte Zaunanlagen zeugen mancherorts noch heute von der Größe der einstigen Grundstücke.
1) Buchtitel über Menschen und Häuser des Steglitzer Fichtenbergs von Andreas Grothusen, 2000
Auf dem Fichtenberg zwischen der Rothenburgstraße 14-15 und der Lepsiusstraße (vorm. Fichtestraße) an der Zeunepromenade wurde 1877 die Blindenbildungsanstalt „Johann-August-Zeune-Schule“ neu erbaut und eröffnet. Der Namensgeber Johann August Zeune (1778-1853) ist der Begründer der ersten Blindenschule in Deutschland. Als im Herbst 1831 in Berlin die Cholera ausbrach, flüchtete sich Friedrich Ernst Freiherr von Rothenburg (1766-1833) in die Blindenanstalt auf den Georgenfriedhof. Als Dank für seine Errettung vermachte Rothenburg sein Vermögen der Anstalt. Durch diese Hinterlassenschaft war sie in der Lage, ein eigenes und größeres Domizil zu schaffen, das mehr ihren Anforderungen entsprach.
Auf dem 70 Meter hohen Fichtenberg wurde 1886 der 38 Meter hohe und 20 Meter dicke Wasserturm nach Plänen des Regierungsbaumeisters Otto Techow errichtet. Mit 2.000m³ Füllmenge war er einer der am größten ausgelegten Speicher. Im Winter 1895 platzte durch Frost ein Ablaufstutzen und das Wasser ergoss sich in gewaltiger Kaskade auf die Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Schmitt-Ott-Straße 13) und verwandelte diese in kürzester Zeit in eine Gletscherbahn. Heute ist der Turm der Sitz der Meteorologen.
Auf dem Nachbargrundstück, Nummer 14, steht die „Villa Anna“, ein roter Backsteinbau mit einem auffallenden Kegeldach auf einem Rundturm. Sie wurde 1883 von Techow erbaut und ist nach seiner Ehefrau benannt.
Der Wasserturm auf dem Friedhof in der Bergstraße wurde erst im zweiten Jahrzehnt des 20. Jh. gebaut, doch genutzt wurde die Anlage kaum. 1935 avancierte der Turm zu einem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges und der NS-Bewegung. Die damit verbundenen An- und Umbauten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückgebaut. Der Turm, kaum noch genutzt, verfiel. Erst mit der Jahrhundertwende (1999/2000) zog der medizinische Verlag „A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin“ hier ein. Der 40 Meter hohe Turm wurde renoviert und zeigt sich besonders im strahlenden Abendlicht beim Passieren der Hochstraße, die über die Schloßstraße zur Filandastraße führt.
Die erste preußische Bahnlinie Berlin-Potsdam, mit einer Halte- und Rangierstelle in Zehlendorf, wurde, wie schon erwähnt, im Herbst 1838 in Betrieb genommen. Um möglichst Vielen das neue Verkehrsmittel schmackhaft zu machen, richtete die Eisenbahngesellschaft gemeinsam mit Carl Albrecht, dem Besitzer des Albrechtshofs, 1840 ein Eisenbahn- und Sommertheater ein. Der dafür geschaffene Haltepunkt einfachster Bauart war eine Bretterbude. Schon wenige Jahre später musste der Haltepunkt mangels unrentabler Fahrgastzahlen geschlossen werden. Erst 1864 hielten hier wieder Züge, anfangs jedoch nur nach Bedarf. Ein einstöckiges Bauernhaus an der Albrechtstraße (Ecke Berlinickestraße) diente als Bahnhofsgebäude. Ein einziger Beamter war hier zugleich Bahnhofsvorsteher, Fahrkartenverkäufer, Schrankenwärter und inzwischen auch Bahntelegraphist. Aufgrund der steigenden Fahrgastzahlen, Berufspendler und Ausflügler, errichtete man 1873/74 ein respektables Bahnhofsgebäude. Sieben- bis achtmal am Tag ging ein Zug nach Berlin, in zwölf Minuten war man in der Reichshauptstadt. 1965/66 mussten der alte Bahnhof und das erste Postamt dem Stadtautobahnbau weichen.
1883 kam es in Steglitz zu einer der größten Eisenbahnkatastrophen. Die Ausflügler an der geschlossenen Bahnschranke in der Albrechtstraße fürchteten um die Abfahrt des bereitstehenden Zuges nach Berlin ohne sie und ließen dabei alle Vorsicht außer Acht. Sie umgingen die Absperrungen und bemerkten zu spät den herannahenden Courierzug aus Berlin. Das Unglück nahm seinen unaufhaltsamen Lauf, bei dem 39 Menschen getötet, darunter 4 Kinder, und 6 Menschen schwer verletzt wurden. Am Jahrestag des Unglücks 1884 wurde auf der gemeinsamen Ruhestätte ein ca. vier Meter hoher Obelisk errichtet mit der Inschrift: „Hier ruhen in Gott die am 2ten September 1883 in Steglitz verunglückten Schützenbrüder nebst Angehörigen.“ Das Grabmal steht noch heute am Hauptweg des Luisenfriedhofs in Neukölln (vorm. Rixdorf) an der Hermannstraße.
Schon 1884 begann man damit, den Gleiskörper höher zu legen und Unterführungen anzulegen. Die beschrankten Bahnübergänge verschwanden. In den Jahren 1900/02 wurden auf der Wannseebahn bereits elektrische Fahrten im Probebetrieb unternommen. Durch den Ersten Weltkrieg und die nachfolgende Wirtschaftskrise kam der endgültige Abschied von der Dampfbahn erst 1933.
In späteren Jahren bis 1864 erhielten die Einwohner ihre Briefschaften durch einen Briefträger von Berlin, der die Orte Tempelhof, Mariendorf, Lankwitz, Steglitz, Schmargendorf und Wilmersdorf täglich zu bestellen hatte. Infolge der Vergrößerung des Ortes und der Zuwachs an Einwohnern hatte auch der Postverkehr zugenommen, so dass noch im selben Jahr das erste Postamt in einem Bauernhaus unweit der Albrecht- Ecke Heesestraße eingerichtet wurde. Mit dem Bau des neuen Bahnhofs erhielt der Ort 1875/76 ein neues und größeres Postamt an der Albrechtstraße 5, also unmittelbar am Bahnhof. Das Bahnhofspostamt bestand bis 1886, das Gebäude selbst verschwand mit dem Bau der Stadtautobahn 1965/66.
1866 zog das Postamt in einen zweigeschossigen Neubau an der Albrechtstraße 14A um, das bereits 1910 dem Einwohnerzuwachs nicht mehr genügte. 1907/08 entstand ein neues und größeres Postamt nach Plänen von Wilhelm Walter mit 122 Diensträumen und drei Dienstwohnungen an der Bergstraße 1, Ecke Heesestraße 13-14. Der imposante Bau mit seinem 32 Meter hohen Eckturm wurde am 1. April 1909 eröffnet. Im Jahre 1927/28 erhielt das Gebäude von Robert Gaedicke einen Anbau für eine Vermittlungsstelle im Hof.
Zu den Olympischen Spielen 1936 war hier eine Fernsehstube mit 50 Sitzplätzen eingerichtet. Auf den Eintrittskarten stand der Hinweis: „Die Vorführungen sind nicht der Unterhaltung gedacht, sondern sollen Aufschluss über den heutigen Stand der deutschen Technik geben.“
Durch Luftangriffe war der Gebäudekomplex weitgehend zerstört und die Einrichtungen von den Sowjets demontiert, so konnte das Postamt offiziell erst wieder 1952 eröffnet werden. In den nachfolgenden Jahren gab es mehrfache Umbauten. Aus Rationalisierungsgründen wurde das Postamt für den Publikumsverkehr im März 2001 geschlossen.
Von Steglitz ist aus dem Jahr 1718 überliefert, dass die hiesigen Kinder in der glücklichen Lage waren, an einem Schulunterricht teilnehmen zu können. Unterrichtet wurden diese von einem Küster, der zugleich ein Handwerk erlernt hatte, meist das des Schneiders. Der Unterricht beschränkte sich auf Lesen deutscher Texte, Schreibübungen, Gesang und religiöse Unterweisungen, meist im Katechismus. Der Wohnraum des Küsters und Schulmeisters war zugleich sein Arbeits- und Schulzimmer. Es herrschte eine ziemliche Enge und das über einige Jahrzehnte. Erst 1826 wurde ein eigenes Schulhaus erbaut und zwei Jahre später sogar um eine Schulstube erweitert. Erstmals waren der Wohnraum des Schulmeisters und der Unterrichtsraum für die Schüler getrennt. 1855 musste das Schulhaus wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. In dem angemieteten Fabrikgebäude des Strohhutfabrikanten Niemeyer, auf dem Grundstück der heutigen Albrechtstraße 17 gelegen, fand man eine neue Bleibe. Für einen Neubau war kein Geld vorhanden, Bildung sollte ja nicht viel kosten. Erst als immer mehr Menschen zuzogen, entschloss sich die Gemeinde zu einem großzügigen Ausbau. 1871 wurde eine neue Schule an der Schloßstraße, rechts vom Kirchhof mit vier Klassen erbaut. Bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts blieb das Schulhaus erhalten. Auf dem Grundstück, Schloßstraße 47, steht heute ein mehrgeschossiges Mietshaus mit einer schön gegliederten Fassade.
In den nachfolgenden Jahren kamen das Gymnasium in der Heesestraße (1886 erbaut; heutiges Gymnasium Steglitz), eine Oberrealschule (1905 erbaut; heutige Hermann-Ehlers-Schule), das Paulsen-Realgymnasium (1907 erbaut; heutige Paulsen-Oberschule), sechs Gemeindeschulen (1888-1908) und weitere hinzu. Die Geschichte der Schulen ist ein Thema für sich und recht vielschichtig, da sie in den vielen Jahren getrennt oder zusammengelegt wurden, umzogen oder ihren Namen änderten. Häufig kamen mehrere dieser Umstände zusammen.
Mit den Jahren war aus dem ländlichen Steglitz eine Großgemeinde mit 32.905 Einwohnern geworden. Die ersten ein- und zweigeschossigen Häuser waren großen mehrgeschossigen Mietshäusern mit schmuckvollen Fassaden gewichen. Das Plathsche Haus, Albrechtstraße 105, auch das „Hohe Haus“ genannt, war das erste mehrstöckige Haus, in dem der Steglitzer Maler Franz Müller-Münster (1867-1936) zur Miete wohnte. Er hinterließ uns eine Ansicht von Steglitz aus dem Jahre 1890; Erläuterungen dazu sind zu finden in der Steglitzer Heimat Nr. 1 / 2006.
Am 20.04.1920 beschloss der Preußische Landtag das „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“. Berlin selbst und weitere 7 Städte um Berlin, 59 Landgemeinden, zu denen auch Steglitz, Groß-Lichterfelde 2), Lankwitz und Südende 3)) zählten, kamen zu Groß-Berlin. Die vier genannten Landgemeinden schlossen sich als der 12. Stadtbezirk „Steglitz“, von insgesamt 20 neu geschaffenen, zusammen.
2) Die Gemarkungen Lichterfelde und Giesensdorf schlossen sich 1877 zur
Großgemeinde Groß-Lichterfelde zusammen.
3) Südende, 1872 als Villenkolonie gegründet, war bis 1920 zu
Mariendorf zugehörig. Mariendorf, Marienfelde, Lichtenrade und Tempelhof
schlossen sich 1920 als 13. Stadtbezirk von Groß-Berlin zusammen.
Während der Weimarer Republik war Steglitz eine Hochburg der Rechten. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, Unter den Eichen 126-135 eingerichtet. Die Zentralverwaltung des „SS-Staates“ zur Organisation und wirtschaftlichen Nutzung der Konzentrationslager im Deutschen Reich und in den besetzten Ländern sowie die zentrale Leitung der SS-Wirtschaftsunternehmen .Von 1940-1942 waren bis zur Errichtung des Außenlagers in der Wismarer Straße (Lichterfelde) im östlichen Innenhof des Gebäudes Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen untergebracht.
Trotz weitgehender Akzeptanz, ja in gewisser Weise Sympathien für die Nazis, gab es hier aber auch Männer und Frauen, deren Namen an den Widerstand gegen Hitler erinnern. So zählt der „Kreisauer Kreis“ zu den bedeutenden Kräften im Deutschen Widerstand. Zu diesem gehörten Peter Graf York von Wartenberg (1904-1944) in der Hortensienstraße 50 (Lichterfelde), der Generaloberst Ludwig August Theodor Beck (1880-1944) in der Goethestraße 24 (Lichterfelde) sowie von Moltke, Graf von Stauffenberg und andere. Es gab aber auch andere Widerstandgruppen, die Verfolgte versteckten und ihnen mit Ausweisen und Lebensmitteln halfen, wie Ruth Andreas-Friedrich (1901-1977) im Hünensteig 6 (Steglitz), die Schriftstellerin und die Mitbegründerin der Widerstandsgruppe „Onkel Emil“.
Mit Kriegsende wurde der Bezirk kurzzeitig von den Sowjets verwaltet, bis die Amerikaner sie im Juli 1945 ablösten. Mit den Amerikanern kam aber zugleich auch eine andere Kultur in die Stadt.
Durch die Fusion von Steglitz und Zehlendorf am 1. Januar 2001 entstand der drittgrößte Verwaltungsbezirk Berlins mit rund 290.000 Einwohnern.
Aus den drei Ortskernen, dem Dorf mit dem ehemaligen Gutshaus, der Kolonie, links und rechts der Albrechtstraße und der Villenkolonie auf dem Fichtenberg, wurde der großstädtische Ortsteil „Steglitz“, zu dessen Zentrum sich die Schloßstraße entwickelt hat. Er ist nach wie vor ein beliebter Wohnort geblieben.